Liebe Leser,
unlängst nahmen wir an einer Führung auf der Akropolis in Athen und im Akropolismuseum teil - die sind leider nicht günstig, aber sehr interessant und unbedingt zu empfehlen, denn die Führerin konnte mit so manchem Detail überraschen, das selbst eingefleischten Athen-Kennern bislang nicht bekannt war!
Im Folgenden ein paar Highlights.
Akropolis bedeutet eigentlich "Oberstadt" und war in der Antike ursprünglich eine Wehrburg meist an der höchsten Stelle einer Stadt. In Athen gibt es einige Hügel, die höher sind als die Akropolis, wie man auf dem Bild gut erkennen kann (rechts hinten z.B. der
Lykabettos), aber die Akropolis von Athen hatte den Vorteil, oben eine flache Ebene zu haben, auf der sich gut bauen ließ. Funde deuten auf eine
koninuierliche Besiedelung des Hügels seit 2800 v. Chr. hin!
Blick auf die Akropolis vom benachbarten Philopapposhügel, links die (nie fertiggestellten) monumentalen
Propyläen, in der Mitte das
Erechtheion und rechts der
Parthenon.

Alle 3 genannten Gebäude wurden unter Perikles erbaut zwischen 447 und 406 v.Chr., nachdem Athen durch den Sieg über die Perser 449 v. Chr. zu Reichtum und Macht gekommen war und das auch zur Schau stellen wollte. Zu dieser Zeit erfüllte die Akropolis aber keine Wehrfunktion mehr, sondern die Tempel waren reine Kultplätze mit dem Parthenon als religiösem Zentrum, der Göttin Athene geweiht. Er enthielt damals eine ca. 10m hohe Statue der Athene aus Elfenbein (für die Hautpartien) und Gold (nach Schätzungen waren es 1150kg Gold, ein Teil des Schatzes des attischen Seebunds).
Der Parthenon war übrigens das erste Gebäude seiner Art, dessen Bau durch eine Volksbefragung beschlossen worden war. Perikles hatte die Athener befragt, ob sie dieses teure Gebäude auch tatsächlich wollen und das Ergebnis war positiv. Bis dahin wäre es keinem Herrscher je eingefallen, seine Untertanen vorher um Erlaubnis für ein Prestige-Bauprojekt zu fragen! Also tatsächlich gelebte Demokratie! Er besteht aus
pentelischem Marmor (vom nahen Berg Penteli), der nach dem Abbau rein weiß ist und mit der Zeit ein angenehme, warme Patina entwickelt.
Man sieht auch die Schäden der Explosion von 1687, die eine venezianische Kanonenkugel angerichtet hatte. Die Osmanen, die sich auf der Akropolis verschanzten gegen die Belagerung der Venezianer im Zuge des
Großen Türkenkriegs, hatten den Parthenon nämlich als Pulverkammer zweckentfremdet!
Eine andere Geschichte handelt davon, dass den Osmanen im
Unabhängigkeitskrieg 1821-1829 allmählich die Munition ausging. Also fingen sie an, Säulen des Parthenons umzustürzen (er wurde zu dieser Zeit nicht benutzt), um das Metall, das die einzelnen Säulenscheiben zusammenhielt, für Munition umzuschmelzen (das ist historisch belegt). Das sah ein griechischer Kommandeur und in Liebe zu dem Athener Weltkulturerbe bot er den Osmanen an, Kugeln auf die Akropolis hinaufschicken zu lassen, wenn sie doch nur die jahrtausendalten Kulturschätze nicht anrühren würden! Wenn die Geschichte nicht wahr ist, so ist sie doch gut erfunden.
Der Parthenon ist bis heute architektonisch einzigartig. Z.B. hat der
Stylobat (die Fläche, auf der die Säulen stehen) eine Kurvatur von 110mm an den Längsseiten, wie überhaupt fast nirgends in dem riesigen Tempel
gerade Linien vorkommen! Alle Säulen haben eine
Entasis genannte nichtlineare Verjüngung ihres Durchmessers nach oben, um trotz der notwendigen Stabilität weniger massiv zu wirken. Zudem sind alle leicht nach innen geneigt,
de facto bilden sie eine Pyramide (sie würden in ca. 2km Höhe aufeinanderstossen), wobei die (etwas dickeren) Ecksäulen diagonal nach innen und stärker als die anderen geneigt sind.


All diese Feinheiten sind mit dem freien Auge kaum wahrzunehmen, führen aber in Summe dazu, die Proportionen perfekt harmonisch wirken zu lassen und dem Gebäude eine - trotz der gewaltigen Ausmaße - anmutige Leichtigkeit zu verleihen. Mehr über die optischen Tricks
hier.
Der Parthenon wird seit Jahrzehnten überaus vorsichtig teilrekonstruiert. Hier sieht man einen Arbeiter, der (vermutlich) gerade den richtigen Winkel an einer Säulenrekonstruktion überprüft - unbehelligt von den unter ihm vorbeiziehenden Touristenscharen.

Die Vorhalle des Erechtheions (ein Tempel, um 13 verschiedene Gottheiten zu verehren) ist nicht minder beeindruckend. Anstatt von Säulen wird deren Dach von 6 Frauenstatuen getragen, Karyatiden genannt. Heute sind an Ort und Stelle Kopien, die Originale stehen im Akropolismuseum (eine wurde von den Engländern geklaut und steht immer noch im British Museum).

Die 2500 Jahre alten Originale (die äußeren sind nicht dicker, sondern durch den Weitwinkel etwas verzerrt).

Hier von weiter entfernt.

Das Akropolismuseum ist selbst ein architektonisches Juwel. 2009 eröffnet, sind die Kostbarkeiten nach dem "teuersten Umzug Athens" vom alten Museum (das auf der Akropolis selbst stand) jetzt ein paar hunderte Meter weiter ideal untergebracht, mit konstanten 23 Grad C. und viel natürlichem Licht. Im Bild auch zu sehen, dass man im Erdgeschoß auf Glasplatten geht, die einen Blick auf darunterliegende Ausgrabungen erlauben. Das ganze Gebäude steht - auf Stelzen - auf der freigelegten Ausgrabung. Im Obergeschoß sind durch die Glasfront auch die Säulen zu sehen, die genau denen des Parthenons entsprechen, die Friese sind auch an den gleichen Positionen angebracht, wie sie es im Original waren.

Blick auf das Museum vom Philopapposhügel, das Obergeschoß ist versetzt und entspricht in Größe und Ausrichtung genau dem Parthenon.

Vom Obergeschoß des Museums aus hat man den Parthenon perfekt im Blick.

Zurück zu den Karyatiden: Ihre Zöpfe sind sehr ausgeprägt, auch weil sie auf geschickte Weise mitbenutzt wurden, um die Last des Daches aufzunehmen.

Apropos Zöpfe, die Zöpfe dieser Statue aus ca. 600 v.Chr. (ein Weihegeschenk) sind so fein herausgearbeitet, dass man es nicht für möglich hält, dass das Marmor ist!

Laut der Führerin waren die Alten Griechen derart geschickt in der Marmorbearbeitung, trotz der relativ einfachen Werkzeuge (hier eine Rekonstruktion)...

..dass wir selbst heute mit den modernsten Methoden nur 10% besser sind! Ganz links oben im Bild übrigens der Pentelische Marmor. Ebenfalls ein Meisterwerk des "Reichen Stils" ist diese, 420-400 v.Chr. entstandene "sich ihre Sandale richtende" Nike (sandalfixing Nike, vermutlich ist sie aber dabei, ihre Sandale auszuziehen (bevor sie den Heiligen Bereich betritt)). Es war ursprünglich Verzierungselement des Geländers rund um den Niketempels südwestlich der Propyläen.

Die reichhaltige und tief herausgearbeitete Faltenlegung der Kleidung und wie grazil der dünne Stoff über der Haut liegt, ist wahrlich meisterhaft. Laut dieser Quelle hat das Relief eindeutig erotische Bezüge.

Dieses Relief am Westfries des Parthenons zeigt einen Reiterkommandeur (oder Theseus?), der sein unruhig gewordenes Pferd zu zähmen versucht. Die Tafel ist wesentlich reichhaltiger ausgearbeitet als die restlichen, sodass vermutet wird, dass dies eines der wenigen überhaupt erhaltenen Werke von Phidias ist.

Detail:

Eines der gut erhaltenen Metopenreliefs vom Parthenon, geschaffen von einem großen, aber unbekannten Künstler, zeigt eine Kampfszene zwischen einem Kentauren und einem Lapithen, ein beliebtes Thema bei den Athenern. Die Lapithen waren ein sagenhaftes Menschenvolk von edler Abstammung und stehen in dieser Kentauromachie für das Gute und die Vernunft, während der Kentaur die Wildheit und Triebhaftigkeit im Menschen repräsentiert. Der Kentaur scheint hier die Oberhand zu haben, aber der Lapith hatte ihm einen tödlichen Stoß mit einem Speer zugefügt, zu sehen an der Austrittswunde an der Hinterseite des Pferdeteils (der Speer und der ihn führende Arm sind nicht erhalten geblieben). Also triumphiert doch die Vernunft zuletzt!

Diese Metope wurde erst 1983 vom Parthenon abgenommen und ins Museum zur Restaurierung überführt, nachdem sie 2500 Jahre vor Ort war und wie durch ein Wunder alles (Beschuss durch die Venezianer, bilderstürmenden Christen, Osmanen, Weltkriege) überlebt hatte! Ein Zeichen? Dieser von zwei Löwen niedergerungene Stier war ein Teil des Frieses des Vorgängertempels des Parthenons, des sog. Alten Athena-Tempels (im 6.Jh. v.Chr. gebaut während der "Archaischen" Periode und 480 v.Chr. von den Persern zerstört). Die erhaltenen Farbreste erinnern daran, dass fast alle Statuen bemalt gewesen waren, was ihren Eindruck auf den Betrachter mit Sicherheit noch verstärkt hatte. Der Stier ist sehr realistisch dargestellt und schildert einen brutalen Kampf. Der Tod des Stiers nimmt seine Rolle als Opfertier vorweg. Die dahinerliegende Symbolik des Löwen und des Stiers ist weit älter als die Griechen und schon von den Sumerern verwendet worden, mehr darüber hier.

Der sog. Kalbträger, eine Weihestatue, ca. 560 v.Chr. entstanden und 1887 bei Ausgrabungen im Schutt auf der Akropolis gefunden. Der junge Mann trägt auf seinem Rücken ein Opferkalb, dessen Hufe er mit seinen Händen hält. Er lächelt. Auch dass er einen Bart trägt und bekleidet ist, unterscheidet diese Statue von den "Kuroi" aus dieser Zeit und macht sie aussergewönlich!

Das Herodes Atticus-Theater am Fuß der Akropolis, bzw. in dessen Hang hineingebaut stammt aus römischer Zeit (161 n. Chr. eröffnet).

Es wird heute noch für Veranstaltungen genutzt und fasst ca. 5000 Zuschauer. Es gäbe noch so viel über die Akropolis zu schreiben, aber ich lasse es jetzt einmal. Ich hoffe, der Rundgang hat auch Euch etwas Neues zeigen können und Lust auf einen Athenbesuch gemacht! Dass Athen noch mehr zu bieten hat, davon im nächsten Post...
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